Artikel aus den Lokalnachrichten des Teckboten vom 15. September 2003

KULTURDENKMAL / Für die Stiftsscheuer wird ein Investor gesucht
Dornröschen wartet jetzt auf den Prinzen


Von der Dienstbotenebene in die Herrschaftsetage für die Stiftsscheuer könnte ein solches Märchen wahr werden, vorausgesetzt es gibt einen (Investoren)Prinzen, der sie aus dem langen Dornröschenschlaf wachküsst. Zum Brautwerber hat sich die Stadt Kirchheim gemacht. Profaner gesagt: Sie will das Kulturdenkmal verkaufen.
BARBARA IBSCH
KIRCHHEIM Adam Mayländer und Hans Conrad Mayer, Sattler, besitzen Scheuer unten in der Stadt zwischen Gemein Gassen und Widerholtschen Hofstatt, hinten wieder Gemeind zahlen Zinsen an Geistliche Verwaltung in Höhe von 43 Kreuzer. So ist es im Lagerbuch der geistlichen Verwaltung nachzulesen, das zwischen den Jahren 1699 und 1711 angelegt wurde und einen Hinweis auf die Stiftsscheuer bereits enthält. Als Doppelhaus von zwei verschiedenen Bauherren errichtet, gehörte sie nicht zum Vogthaus als ehemaligem Stiftsgebäude, sondern war als Nebengebäude dem Haus Widerholtstraße 11 zugeordnet. Bis zu zehn verschiedene Besitzer gab es zeitweise gleichzeitig, die damals herrschende Realteilung machte es möglich.

Heute ist die aus dem 18. Jahrhundert stammende Stiftsscheuer mit der Adresse Widerholtstraße 6 8 ein Kulturdenkmal. Sein Äußeres verrät dies den mit alten Gebäuden Vertrauten, auf nicht so geschulte Augen macht es eher einen verschlafenen Eindruck. Das Gebäude mit Leben zu erfüllen, ist Anliegen der Stadt Kirchheim, wobei im Rathaus beispielsweise auch schon darüber laut nachgedacht wurde, die Sitzungen des Gemeinderats in die Stiftsscheuer zu verlagern oder dort ein Bürgeramt einzurichten. Doch zum Umsetzen der Ideen fehlt das Geld. Es soll aber auf dem freien Markt speziell an denkmalgeschützten Fachwerkhäusern Interessierte geben und an sie ist ein Auswahlverfahren gerichtet, von dem die Mitglieder des Technischen Ausschusses des Kirchheimer Gemeinderats in jüngster Sitzung zustimmend Kenntnis genommen haben.

Jochen Stüber, Freier Architekt im architekten/netz/werk am Kirchheimer Schlossplatz, hat im Auftrag der Stadt sowie in Zusammenarbeit mit Stadtplanungsamt und Hochbauamt in einer Machbarkeitsstudie die noch verborgenen Schokoladenseiten des Gebäudes herausgearbeitet. Dazu gehört auch die Stellung innerhalb des Vogthausviertels, das zum Innenstadtkern zählt und als Sanierungsgebiet in der Altstadt aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden soll. Für die Stiftsscheuer selbst könnte also ein Zuschuss fließen. Zudem wird ernsthaft über eine Tiefgarage im Bereich Rollschuhplatz nachgedacht. All dies sind für einen Investor sicherlich interessante Faktoren. Die Machbarkeitsstudie für den Umbau des Gebäudes mit einer historischen Kubatur von etwa 1 350 Kubikmetern macht zum Ausbau und zur künftigen Nutzung reizvolle Vorschläge. Wunsch der Stadt wäre ein gewerblicher/geschäftlicher Bereich im Erdgeschoss. Darüber könnte hochwertiger Wohnraum in historischem Ambiente entstehen.

Die Stadt Kirchheim hat am Samstag den Verkauf des Kulturdenkmals Stiftsscheuer ausgeschrieben. Jetzt wird auf den Fachwerkliebhaber gehofft, der die einstige Scheuer von Adam Mayländer und Hans Conrad Mayer aus dem Dornröschenschlaf befreit.